Velo de Ville LEB 800 Speed (2022)

Der Ebike-Markt in Deutschland wächst und wächst. Die elektronische Tretunterstützung hat mittlerweile ihr „Rentner-Image“ komplett abgelegt und ist in nahezu allen Fahrradtypen zu finden. Vom Fully zum Klapprad, vom Holland- zum Kompaktrad. Die großen Fahrradhersteller möchten hier natürlich gerne ein möglichst breites Kundenfeld bedienen, weshalb sich auch bei vielen bekannten Marken ein S-Pedelec im Katalog findet.

Velo de Ville ist ein Hersteller, den man spontan nicht als großen S-Pedelec-Produzenten kennt. Jedoch haben sie mit dem LEB 800 Speed ein schnelles Pedelec im Programm, das sich allein schon bei der Wahl der Stromspeicher von der restlichen Bosch-Konkurrenz abhebt:

Der verbaute Bosch Performance Speed der 4. Generation wird nämlich (optional) von zwei 500er- Powerpacks mit Energie versorgt. Diese Dual-Akku-Lösung macht das S-Pedelec nahezu einzigartig auf dem Markt.

Über die Vorzüge der zwar vergleichsweise kleinen, aber handlichen Powerpacks hatte ich bereits im März ’21 einen Artikel geschrieben. Kurz darauf kam ich mit Velo de Ville in Kontakt und hatte im Juli 2021 die Möglichkeit, das LEB800 Speed für eine Woche auf seine Alltagstauglichkeit zu testen.

Ob das Velo de Ville LEB 800 Speed das Zeug zum pendeltauglichen Kilometerfresser hat, erfahrt ihr in diesem Testbericht. Viel Spaß!

Vorab: Das Testrad ist mit dem optionalen Dual-Akku-System ausgestattet. Geschwindigkeitsmessungen wurden mit dem GPS-Sensors meines Smartphones durchgeführt. Alle Ratschläge zur Modifizierung und Anpassung des Rades an die individuellen Ansprüche, welche ich im Testbericht gebe, setzen natürlich eine Konformität mit den zulassungstechnischen Vorschriften und ggf. eine Eintragung bei einer Zulassungsstelle voraus.

Velo de Ville LEB 800 Speed 2022 – Technische Daten

MotorBosch Performance Speed (Gen4)
Batterieauswahl2x Bosch Powerpack 500wh (optional)
SchaltungShimano Deore XT, 11 Gang, Kettenschaltung
Reifengröße27,5″
ReifenSchwalbe Super Moto X, 62-584
Bremsen2x Magura MT4e
FrontlichtBusch + Müller IQ-X 150 Lux
FedergabelRST Pulse 29 Air

Das Velo de Ville LEB 800 Speed kann auf der Herstellerwebsite individuell konfiguriert und bestellt werden. Der Konfigurator vermittelt vor Allem schon einen ersten optischen Eindruck von Rahmenform und -farbe. Bei letzterer kann man gegen Aufpreis aus einer ansehnlichen Farbpalette aus matten und glänzenden Lacken wählen.

Ein paar Anpassungen lassen sich im Konfigurator allerdings auch vornehmen, die über die Optik hinaus gehen. So lässt sich hier beispielsweise auch die Dual-Akku-Option auswählen. Diese schlägt mit einem Aufpreis von 968€ zu Buche. Auf den Grundpreis von 4299€ (Stand 07/21) gerechnet erhält man auf diese Weise ein S-Pedelec mit 1000wh-Speicher für 5267€.

Ersteindruck

Zugegeben – Design ist Geschmackssache und einige werden sich sicher an den beiden Aufsitz-Akkus stören. Ich persönlich finde das LEB 800 optisch äußerst gelungen. Eine schöne matte Lackierung mit wahlweise weißem oder schwarzem Dekor. In das matte Grau des Testbikes fügten sich die schwarzen Schriftzüge und Akzente schön dezent ein.

Allerdings würde das LEB 800 nochmal ein gutes Stück edler wirken, wenn man auf die weißen Streifen auf der Federgabel und die Folierung der beiden Powerpacks verzichtet hätte. Gerade letzteres ist optisch einfach too much; man sieht auf jeder Seite dreimal den Firmenschriftzug, davon einmal auf dem Kopf. Riese+Müller hatten bei ihrem Powerpack-Delite damals wohlwissend unbeschriftete Akkus verbaut. Dem LEB 800 stünde dies auch gut.

„Sagen Sie, von welchem Hersteller ist ihr Rad gleich nochmal?“

Rahmenform

Als Rahmenform hat Velo de Ville einen Diamantrahmen mit zum Sitzrohr deutlich abfallendem Oberrohr gewählt. Dieses hat kurz hinter dem Steuerrohr einen kleinen Knick, um ein schnelles Einlegen und Herausnehmen des Zweitakkus zu ermöglichen. Dadurch, dass die Akkus nicht in den Rohren integriert sind, halten sich die Durchmesser der Aluminiumstangen auch im Rahmen („Rahmen“. Hihi). Insbesondere beim Sitzrohr ist das nicht nur schön, sondern ermöglicht auch eine gute Greifmöglichkeit beim Anheben des Rades.

Kabelmanagement

Wie mittlerweile üblich ist auch beim LEB 800 die Kabelführung größtenteils in den Rahmen integriert. Zum Lenker hin werden die Kabel durch zwei Öffnungen im Steuerrohr geführt. Da mittlerweile eine Vielzahl von Leitungen für Bremse, Bremslicht, Motorsteuerung, Display, Schaltung und Scheinwerfer seinen Weg zum Vorbau findet, dass man hier landläufig von einem Tohuwabohu sprechen kann, muss man an dieser Stelle unterstreichen, dass Velo de Ville dies beim LEB 800 sehr aufgeräumt gelöst hat. Beim QWIC RD11 (2020) hatte das noch deutlich stärkeren Bastelcharakter.

Zum Hinterrad verlässt die Verkabelung das Innenleben des Rades an der Hinterseite des Motors. Die Kabel für Rücklicht und Kennzeichenbeleuchtung verlaufen an der Unterseite des hinteren Schutzbleches.

Das Bosch Performance Speed (Gen4)-System

2020 brachte Bosch den Pedelecmotor der 4. Generation heraus. Wie auch die CX-Reihe erhielt der Speed-Motor 2021 durch ein nachträgliches Softwareupdate ein erhöhtes Drehmoment von 75 auf 85 Nm. Auch beim LEB 800 ist dieses Update möglich, wobei bei S-Pedelecs in der Regel nicht der Händler, sondern der Hersteller das Update bereitstellen muss. Insofern ist es ratsam, sich bereits bei der Bestellung diesbezüglich zu vergewissern.

Unterstützungsstufen

Der neue Performance Speed setzt auf die vier altbekannten Bosch-Unterstützungsstufen Eco, Tour, Sport und Turbo. Natürlich kann das SPed auch gänzlich ohne Unterstützung bewegt werden und fährt sich dann wie ein schweres Fahrrad. In der ersten Stufe „Eco“ hat die Unterstützung am ehesten den Charakter eines normalen 25er-Pedelecs. Auf „Tour“ lässt es sich in 30er-Zonen gut mitschwimmen. Zum fahren an der Abriegelungsgrenze ist die höchste Stufe „Turbo“ notwendig; „Sport“ eignet sich, um mit einer um 4-5 km/h reduzierten Endgeschwindigkeit ein bisschen mehr Reichweite aus den Speichern zu kitzeln.

Interessant: Nach dem aus- und wieder einschalten des Systems ist die Unterstützung immer auf „off“ gestellt – unabhängig davon, welche Stufe davor gewählt wurde.

Motorleistung

Ein Manko, welches dem Vorgänger des Bosch Performance Speed (Gen4) in der S-Pedelec-Community permanent um die Ohren gehauen wurde, war die fehlende Leistung, um tatsächlich bis 45 km/h zu unterstützen. Insofern war ich sehr gespannt, wie es sich hier beim Nachfolger verhält. Und siehe da: Unter unauffälligen Witterungsbedingungen sieht man bei Bewegung in der Ebene bei „normaler“, langstreckenorientierter Eigenleistung meist die „45“ auf dem Tacho.

Deutlicher wird der Unterschied zur vorherigen Generation, wenn man stärker in die Pedale tritt: Erst ab Tacho 45 nimmt die Unterstützung nach und nach ab, bis sie bei ca 47 km/h komplett zum erliegen kommt. Alltagstauglich, um nicht komplett fertig und nassgeschwitzt am Ziel anzukommen, ist ein solcher Eigenleistungsanteil freilich nicht.

In der Praxis ist also die 45 auf dem Tacho ein erstrebenswertes und realisitsches Ziel. Hierbei darf man allerdings nicht vergessen, dass die Geschwindigkeitsanzeige wie schon beim Vorgängermotor etwa 3 km/h vorauseilt. Es ist also mit einer realistischen Dauerhöchstgeschwindigkeit von etwa 42 km/h zu rechnen.

Was in der Tat deutlich auffällt ist, dass der Gen4-Bosch deutlich mehr Leistung in den niedrigeren Drehzahlbereichen hat als sein Vorgänger. Dies ist natürlich vor Allem beim Anfahren und bei Steigungen von Vorteil. Die 14%-Steigung, welche ich für solche subjektiven Leistungseindrücke gerne nutze, bewältigt der neue Bosch mit knapp 20 km/h (GPS).

Archivfoto 🙂

Diese deutliche Kraftsteigerung bei niedrigen Umdrehungen ist auch bitter nötig, denn der Bosch Speed zeigt im Test eine Eigenart, welche das Fahrerlebnis empfindlich beeinflusst. Nämlich die…

Kadenzbeschränkung

Neben dem Erreichen der 45 km/h gibt es beim Bosch Speed (Gen4) eine weitere Grenze, an der die Unterstützung aussetzt: eine Trittfrequenz von >80-85 rpm. Und das unabhängig von der Wahl des Ganges. Erhöht man, beispielsweise beim Beschleunigen oder an Steigungen, seine Kadenz in diesen Bereich, wird nicht mehr unterstützt. Hierbei handelt es sich nicht um mangelnde Leistung des Motors, sondern vielmehr nimmt dieser aktiv die Unterstützung zurück – und dies ziemlich abrupt.

Dieses Phänomen liest sich sehr brutal und tatsächlich empfand ich diese Beschränkung auf den ersten Kilometern als äußerst ungewohnt. Nach den 250 km, welche ich im Testzeitraum absolvieren durfte, hatte ich mich aber recht gut auf dieses Verhalten eingegroovt: Es dauert eine Weile, aber ein frühes hochschalten und Beschleunigen aus niedrigen Trittfrequenzen heraus (bei denen dann natürlich der Motor den Bärenanteil der Anstrengung absolviert) erlauben auch hier ein flüssiges Fahren. Umso wichtiger ist es, sich vor dem Kauf zu versichern, dass der Motor über das 2021er-Leistungsupdate auf 85Nm verfügt.

Unterm Strich war die Motorleistung des LEB 800 für mich so komplett alltagstauglich, wenngleich das Fahrgefühl, welches ich mit dem Begriff „Fahrrad fahren“ assoziiere, durch die Beschränkung auf die niedrigen Kadenzen emfpindlich leidet.

Eine Sache ist jedoch durch dieses Phänomen in Stein gemeißelt: Um an der Abregelungsgrenze von 45 km/h zu fahren, lässt das System keine Alternative zum höchsten Gang zu. Dieser ist so eingestellt, dass man bei Höchstgeschwindigkeit mit 80 rpm unterwegs ist. Auf dem darunterliegenden 10. Gang wird man nur bis etwa 38 km/h unterstützt, bevor die Kadenzbeschränkung greift. Fahrern, welche tendenziell eher mit langsamerer oder schnellerer Wohlfühlfrequenz durch die Gegend kurbeln, ist mit dieser Einschränkung nicht gedient.

Geräuschemission

An die gefühlte Lautlosigkeit der Nabenmotoren kommen die Mittelmotoren nicht ran. Der Bosch Performance Speed (Gen4) macht hier keine Ausnahme. In bestimmten Frequenzen ist er sogar noch deutlich hörbarer als sein Vorgänger. Unterm Strich gilt hier aber für beide Modellgenerationen das gleiche: Spätestens ab 35 km/h dominieren die Windgeräusche.

Energiespeicher

Das LEB 800 Speed wird mit zwei Bosch Powerpacks mit je 500 wh ausgeliefert. Das Handling der kompakten Speicher ist nach wie vor unübertroffen. Selbst zwei Akkus lassen sich komfortabel mit einer Hand tragen und sie finden in jeder Gepäckträgertasche Platz. Weitere Details zu den Bosch-Akkus findet ihr im eingangs erwähnten Artikel.

Ladegerät und Ladezeiten

Das LEB800 wird standardmäßig mit dem 6A-„Fast Charger“ ausgeliefert. In 6 Stunden lädt dieser beide Akkus wieder von 0 auf 100%.

Ein großer Vorteil der 2x 500 Wh-Akkus ist die Möglichkeit, mittels 2 Ladegeräten beide Akkus parallel zu laden – natürlich müssen diese dafür aus dem Rad genommen werden. Wenn der Pendelalltag es voraussetzt, kann die Ladezeit auf diese Weise jedoch deutlich verkürzt werden. Zur Veranschaulichung hier die Ladezeiten in den unterschiedlichsten Kombinationen:

1 Bosch Standard Charger (4A), ladend am Rad9 Stunden
1 Bosch Fast Charger (6A), ladend am Rad6 Stunden
2 Bosch Standard Charger (4A)4,5 Stunden
2 Bosch Fast Charger (6A)3 Stunden
alle Zeitangaben von 0-100%

1000 Wh in 3 Stunden sind natürlich schon ein Brett! Da der Akku bei S-Pedelec-typischem Nutzerverhalten ohnehin einen deutlich höheren Verschleiß erfährt als in einem 25er-Pedelec, sollten Vielfahrer jedoch ernsthaft überlegen, den Ladeprozess nach Möglichkeit lieber ein oder zwei der schonenderen 4A-Standard-Charger zu überlassen.

Reichweite

Bei voller Unterstützung, wenig bis kaum Wind und Temperaturen knapp über 20°C waren die beiden Powerpacks nach ziemlich genau 70 km am Ende.

Unter Miteinbezug von winterlichen Temperaturen, Fahrten bei strengem Gegenwind und natürlich auch der Akkualterung möchte ich dem LEB 800 somit eine Alltagstauglichkeit für Pendelstrecken bis zu 50 km zusprechen. Hier ist auf jeden Fall noch genug Puffer, um beim nächsten Herbststurm nicht 5 km vor dem Ziel auf freier Flur zu verenden 🙂 Und natürlich tut es den Energiespeichern auch gut, wenn sie nicht bei jeder Fahrt stark unterhalb der 20% Restkapazität belastet werden.

Dual-Akku-Management

Während der Fahrt werden die Akkus nicht in einem „echten“ Parallelbetrieb entladen, sondern abwechselnd in 5%-Schritten. Das ist schade, da sich eine tatsächliche Parallelschaltung der Speicher positiv auf die Alterung der Zellen auswirken würde.

Werden zwei unterschiedlich starke Akkus eingesetzt, so wird zunächst der vollere genutzt, bis er das Ladeniveau des anderen Speichers erreicht. Dann wechselt das System im 5%-Muster weiter.

Über die Buchse an der oberen Akkuhalterung können beide Speicher mit einem Ladegerät am Rad aufgeladen werden.

Natürlich kann das LEB 800 auch mit nur einem Akku gefahren werden. Ob hierbei die obere oder die untere Halterung genutzt wird, ist dem System egal. Natürlich ist es hier sinnvoll, einen möglichst tiefen Schwerpunkt zu erreichen. Hierbei muss man allerdings bedenken, dass der Ladevorgang am Rad nur startet, wenn in der oberen Halterung ein Akku eingelegt ist.

Wenn ihr euch partout nicht sicher seid, ob ihr für euren Alltag einen Zweitakku benötigt und deshalb die knapp 1000€ Aufpreis verständlicherweise scheut: Erkundigt euch bei eurem Händler, ob man das LEB 800 zwar nur mit einem Akku, jedoch mit beiden Akkuhalterungen ordern kann. Diese nachzurüsten ist nämlich nicht einfach – das Einlegen eines Zweitakkus jedoch sehr 🙂

Display, Bedienung, Konnektivität

Standardmäßig wird das LEB 800 Speed mit dem Bosch Intuvia Display ausgeliefert. Geschwindigkeit und Unterstützungsstufe sowie die momentane Motorleistung werden hier angezeigt, sowie Odometer, Tageskilometerzähler, Uhrzeit, Fahrzeit, Restreichweite und die maximal gefahrene Geschwindigkeit. Zusätzlich wird hier beim Dual-Akku-System angezeigt, welcher Akku gerade genutzt wird:

Zwar gibt es am Intuvia auch einen Knopf für die Fahrradbeleuchtung. Dieser ist beim S-Pedelec jedoch ohne Funktion: hier ist die Beleuchtung im Betrieb standardmäßig aktiviert.

Das Intuvia hat einen USB 2.0-Anschluss, der in erster Linie der Kommunikation zwischen Werkstatt und Rad dient (Fehlerauslese, Softwareupdate…). Zwar schreibt Bosch auf seiner Page, dass dieser Anschluss auch als Ladeschnittstelle fürs Smartphone genutzt werden kann – allerdings zeigt die Erfahrung, dass der Output hier so gering ist, dass man bei der Nutzung eines zeitgemäßen Telefons mit Navigationssoftware eher von einem „langsameren Entladen“ sprechen kann.

Eine Möglichkeit, das Rad mit dem Smartphone kommunizieren zu lassen, gibt es beim Intuvia nicht. Wer sich hier mehr Konnektivität wünscht, kann ab Werk auch ein Upgrade zu den anderen Bosch-Anzeigesystemen Kiox, Cobi oder Nyon wählen. Im Konfigurator auf der Website ist dies jedoch nicht möglich.

Wer sich nicht sicher ist, wie viel Vernetzung und Datenaustausch er zwischen Rad und Telefon benötigt, sollte aber dem Intuvia auf jeden Fall eine Chance geben. Auch, wenn Design und Funktionsumfang mittlerweile etwas aus der Zeit gefallen scheinen, ist es ein sehr robustes und zuverlässiges Display. Und diese Qualitäten stehen im Pendelalltag unangefochten an erster Stelle.

Schaltung

Es braucht nur ein paar Tage Fahrzeit, bis man die Shimano Deore XT 11-Gang-Kettenschaltung so bedienen kann, dass man im Zusammenspiel mit dem Motor schnell, aber trotzdem schonend die Gänge wechseln kann. Insbesondere im Hinblick auf die Kadenzbeschränkung ist es sehr praktisch, dass man mit nur einem Daumendruck zwei Gänge gleichzeitig hochschalten kann.

Um die Hosenbeine des Fahers zu schonen, ist ein schlichter, zweckmäßiger Kettenschutz montiert, welcher – achtung, wichtig – nicht klappert!

Was man bei der Kaufentscheidung auf jeden Fall beachten sollte ist die Tatsache, dass die Kombination aus Mittelmotor und Kettenschaltung einen hohen Verschleiß des Antriebsstrangs zur Folge hat. Je nach persönlichem Nutzungsprofil muss die Kette alle 2000-3000 km erneuert werden und auch die am meisten beanspruchtesten Ritzel der Kassette verlangen nach regelmäßigem Tausch.

Am unkompliziertesten ist es, diese Arbeit selbst zu erledigen. Wenn man nicht gerade zwei linke Hände hat, ist der Ketten- und Ritzelwechsel auch kein Hexenwerk und mit etwas Routine innerhalb von 15 Minuten erledigt. Eine neue Kette gibt es schon ab ca 20€ und auch die wichtigsten Ritzel der Kassette sind einzeln für unter 5€ im Netz zu finden.

Bremsen

Sowohl an Vorder- als auch am Hinterrad findet sich eine Magura MT4e. Für den Alltagsbetrieb im flachen bis hügeligen Gelände performen diese auch bei voller Beladung sehr zuverlässig. Bei Fahrten im Regen lohnt es, diese in regelmäßigen Abständen trocken zu bremsen. Nicht nur wegen der anschließend besseren Bremskraft, sondern auch der Geräuschkulisse.

Hinsichtlich der Belegung macht das LEB 800 keinen Hehl aus seiner KFZ-Zugehörigkeit: Wie beim Motorrad befindet sich die Vorderradbremse auf der rechten Seite. Unbedingt vor den ersten Metern testen!

Beleuchtung

Als Frontscheinwerfer erhält das LEB 800 Speed die unter den Einsteiger-SPeds sehr verbreitete Busch & Müller IQ-X. Wer nur selten nachts unterwegs ist, kann mit der Leistung dieser Lampe vermutlich auskommen. Für Ganzjahrespendler ist allerdings spätestens ab der Zeitumstellung ende Oktober eine potentere Lampe, idealerweise mit Fernlichtfunktion Pflicht: Die IQ-X stößt bei Dunkelheit rasch an ihre Grenzen. Insbesondere bei Überlandfahrten oder im Wald ist die Seitenausleuchtung ungenügend. Hier muss zwingend die Geschwindigkeit reduziert werden.

Das Rücklicht ist zusammen mit einem Reflektor in den Kennzeichenhalter integriert. Natürlich verfügt es über eine Bremslichtfunktion. Die Position auf dem Schutzblech ist von Velo de Ville gut durchdacht – selbst bei großen Gepäckträgertaschen wird die Beleuchtungseinheit nicht seitlich verdeckt.

Top: Der Rückstrahler sitzt auf jeden Fall hinter Gepäckträgertaschen – seien die noch so groß.

Reifen

Das LEB 800 Speed sitzt auf den weit verbreiteten, dicken Schwalbe Moto X in 62-584. Diese performen am besten auf Asphalt, verzeihen aber auch die ein oder andere Fahrt über unbefestigte Straßen.

Auch bei Nässe liegen die Reifen gut auf der Straße und vermitteln ein sicheres Fahrgefühl.

Ergonomie und Fahrkomfort

Beim S-Pedelec geht es immer um die goldene Mitte zwischen einem möglichst geringen Windwiderstand und einer komfortablen Sitzposition. Letzteres ist natürlich vor Allem abhängig von den eigenen Präferenzen und Körperdimensionen. Trotzdem gibt es ein paar allgemeingültige Fakten zum LEB 800:

Sitzposition

Und hier wartet schon der große Hammer des VdV-SPeds: Das LEB 800 verfügt ab Werk über einen höhenverstellbaren Vorbau.

auch an diesem Vorbau findet die sp-connect-Halterung ihren Platz.

Der „Ergotech Swell R Ahead“ lässt sich um 60° verstellen und erlaubt so eine vollkommen unterschiedliche Anpassung. Von sportlich, flach zu komfortabel aufrecht ist hier richtig viel möglich. Selbst bei stümperhaften Fotos ist zu erahnen, welche Auswirkungen die verschiedenen Einstellungen auf die Sitzposition des Fahrers haben:

Da der Teiletausch von Lenker und Vorbau bei S-Pedelecs nicht so ohne weiteres möglich ist, hat Velo de Ville hier hinsichtlich der individuellen Anpassung an den Fahrer viel Weitsicht bewiesen.

Federgabel

Die verbaute Luftfedergabel „RST Pulse 29 Air“ sorgt in Kombination mit den breiten und luftdruckarmen Super Moto X-Reifen für ein ziemlich komfortables Fahrverhalten. Vielfahrer sollten allerdings trotzdem noch die Anschaffung einer gefederten Sattelstütze einplanen – Hardtail bei 45 km/h ist zwar möglich, aber das ein oder andere Schlagloch kommt immer mal wieder unverhofft.

Griffe und Lenker

So begeistert ich vom Vorbau bin, aber die Wahl der Lenkstange lässt mich mit der Stirn runzeln. Gefühlt habe ich noch kein SPed mit einem Lenker mit so wenig Backsweep gefahren. Mit guten 1,90 Körpergröße und dementsprechend nicht sehr kurzen Armen empfand ich den Winkel von Unterarm zu Hand hier auf längeren Fahrten als recht anstrengend.

Linderung schaffen die Griffe, bei denen Velo de Ville sich nicht lumpen lässt und dem LEB 800 die GP1 von Ergon spendiert. Eine gute Wahl, mit der sicher die meisten Piloten gut zurechtkommen.

Schutzbleche

Die ab Werk montierten SKS-Kunststoffschutzbleche sind definitiv in den Top 3 der Komponenten, welche man nach dem Kauf tauschen sollte, um das LEB 800 Speed zu dem Allwetter-/Ganzjahrespendelrad zu machen, zu dem es definitiv das Zeug hätte. Leider ist der vordere Schmutzfänger so kurz, dass er gegen hochgeschleudertes Wasser des Vorderrads kaum Schutz bietet.

Das hintere Schutzblech endet auch recht früh; nämlich noch oberhalb des Kennzeichenhalters. An der Haltestrebe ist es nur mit einem Clip fixiert, so dass das Gewicht von Kennzeichen, Halter und Rücklicht hier oft ein seitliches Verrutschen des kompletten Schutzbleches zur Folge hat.

Seitenständer

Ein Detail, aber trotzdem eine im Alltag unverzichtbare, wichtige Komponente: der Seitenständer. Dieser muss seit 2018 gottseidank nicht mehr automatisch einklappen und tut dies folgerichtig auch beim LEB 800 nicht. Generell hat Velo de Ville hier alles richtig gemacht: vernünftige Position auf Höhe des Hinterrads, stabile Konstruktion und keine Klappertendenz.

Gepäckträger

Der Gepäckträger des LEB 800 trägt 25 kg, verfügt über eine Federklappe, das Racktime „Snapit“-System und bietet die Möglichkeit, Gepäckträgertaschen auf zwei Ebenen einzuhängen. Man sollte allerdings nicht vergessen, die Kontaktstellen von Gepäckträger und Taschen gegen Lackabrieb zu schützen.

Im Gegensatz zum Trend, den Gepäckträger entlang der Unterseite des Schutzbleches am Rahmen zu fixieren, setzt Velo de Ville hier auf die bewährte Verschraubung an den Seiten der Sitzstreben:

Das mag auf den ersten Blick vielleicht nicht so aufgeräumt aussehen wie eine unter-Schutzblech-Befestigung, jedoch ist die Rahmenfixierung auf diese Weise wesentlich weniger Dreck und Korrosionsgefahr ausgesetzt.

Rückspiegel

Rückspiegel sind beim S-Pedelec vorgeschrieben – das LEB 800 besitzt gleich zwei Busch+Müller Cycle Star!

Für jeden Akku einer! 🙂

Obwohl explizit für schnelle Ebikes zertifiziert, sind diese jedoch für die hohen Geschwindigkeiten nicht geeignet: selbst auf asphaltierten Straßen in gutem Zustand wackeln sie bei höheren Geschwindigkeiten so sehr, dass man den nachfolgenden Verkehr oftmals erst sehr spät wahrnehmen kann. Hier sollte man lieber auf Spiegel aus dem Motorradzubehör zurückgreifen.

Schließanlage

Am Hinterrad findet sich ein Rahmenschloss von Trelock. Dieses kann optional noch mit einer Schließkette kombiniert werden. Sowohl das Rahmenschloss als auch die Akkuschlösser der beiden Powerpacks sind gleichschließend. Klasse, dass dies bereits ab Werk so ist.

Die Trelock-Schlösser am Testrad ließen sich ohne großes Hakeln butterweich mit nur einer Hand bedienen. Das Entnehmen der beiden Rahmenakkus wird auf diese Weise deutlich erleichtert. Auch beim Einrasten der Akkus in den Schlössern geschieht mit einem zuverlässigen klacken. Ein nur „halbes“ Einrasten und die damit verbundene Gefahr, dass ein Speicher während der Fahrt auf Wanderschaft geht, konnte ich nicht provozieren.

Fazit

Ganz klar: Die beiden Powerpacks sind DAS Alleinstellungsmerkmal des Velo de Ville LEB 800 Speed (2022). Aber auch abseits dieser seltenen Speicherlösung bringt das Rad vieles mit, was ein Pendelrad benötigt. Allerdings finden sich auch ein paar Sachen, die noch nicht so ganz durchdacht sind. Hier die Pros und Cons:

Stärken

+ äußerst vielseitiger, höhenverstellbarer Vorbau ab Werk
+ Dual-Battery-Lösung mit einem Akku-Formfaktor
+ leichtes Entnehmen, Transportieren und Einlegen der Energiespeicher
+ gute Verarbeitung
+ Leicht bedienbare Schließanlage
+ Mit zwei Ladegeräten sehr schnelle Ladezeiten möglich
+ Rahmenschloss ab Werk; gleichschließend mit Akkuschlössern

Schwächen

– keine Motorleistung über 85 rpm Trittfrequenz
– Scheinwerfer für Nachtfahrten über 30 km/h zu schwach
– Qualität und Länge der Schutzbleche ungeeignet
– Rückspiegel wackeln stark bei hoher Geschwindigkeit

– prinzipbedingt hoher Verschleiß am Antriebsstrang
– keine Konnektivität (beim standardmäßig verbauten Bosch Intuvia)
– breiter Lenker, kaum Backsweep

Abschließend die Frage, welcher sich jedes Rad in den Speeder’s-Corner-Tests stellen muss: Taugt das Velo de Ville LEB 800 Speed als alltagstaugliches Pendelpferd, bei Tag und Nacht, Sommer wie Winter, come rain come shine?

Nicht ganz, aber mit ein paar Upgrades auf jeden Fall! Von Haus aus bringt es schonmal viel mit: Die handliche Dual-Akku-Lösung, welche im Notfall auch in 3 Stunden 1000wh tanken kann. Die damit verbundene Reichweite und Flexibilität, durch die nicht mehr der Akku, sondern eher der Allerwerteste der limitierende Faktor ist 🙂 Und natürlich der verstellbare Vorbau, durch den eine beachtliche Bandbreite an Sitzpositionen abgedeckt wird.

Auf der anderen Seite gibt es ein paar Komponenten, die der Anpassung bedürfen, damit das LEB 800 in allen Situationen bestehen kann:

In erster Linie natürlich der Scheinwerfer. Klar – für die Schönwetterpendler unter uns kein must have. Für alle anderen jedoch einer der wichtigsten Sicherheitsfaktoren bei Nachtfahrten. Es wäre schön, würde Velo de Ville hier ein Upgrade ab Werk ermöglichen, um den Kunden das lästige Umrüsten zu ersparen.

Auch die Schutzbleche bedürfen einer Anpassung, wenn man bei Schlechtwetterfahrten nicht den kompletten Straßendreck an den Schienbeinen haben möchte: Günstige Abhilfe bietet hier sicher ein Kunststofflatz fürs Vorderrad. Wer es gerne schön und ordentlich mag, kommt hier aber an einem geeigneten Nachrüstset nicht vorbei. Wenn man hier allerdings schon die Zeit in die Hand nimmt, sollte man auch an der Qualität und Stabilität nicht sparen.

Schlussendlich fällt durch den Wechsel auf einen geeigneten Rückspiegel die Übersicht im Verkehr deutlich leichter.

Allerdings gibt es ein Manko, welches sich nicht mit einem mehr oder weniger aufwändigem Teiletausch beheben lässt: Die Achillesferse des LEB 800 ist ganz klar die Beschränkung der Trittfrequenz. Insbesondere beim Beschleunigen und bei Steigungen geht diese zu Lasten des Fahrrad-Gefühls. Trotzdem ist es nach relativ kurzer Eingewöhnungszeit möglich, das S-Pedelec schnell und agil im Alltag zu bewegen. Nichts desto trotz sollte man vor Kauf unbedingt einen Bosch Performance Speed der 4. Generation probe gefahren haben, um dieses Phänomen kennen zu lernen.

Vielfahrer sollten vor dem Kauf natürlich den prinzipbedingt verhältnismäßig hohen Verschleiß des Antriebsstrangs bei der Kombination Mittelmotor/Kettenschaltung bedenken. Abhilfe könnte hier die Kombination aus Rohloff-Schaltung und Gates-Riemen schaffen. Leider ist diese nicht für das LEB 800 erhältlich. Nachdem das S-Pedelec ansonsten jedoch durchaus das Potenzial hat, die 1000km pro Monat regelmäßig zu knacken, könnte Velo de Ville darüber nachdenken, diese vielleicht bei zukünftigen Baureihen optional anzubieten. Selbst bei dem erwartbar um 1000€ höheren Verkaufspreis wäre die Kombination Bosch/Rohloff hier immer noch deutlich günstiger als bei den Mitbewerbern.

Alles in allem ist das LEB 800 Speed trotz einiger, weniger Mankos ein S-Pedelec, welches mit nur ein paar Anpassungen eine hohe Alltagstauglichkeit aufweisen kann. Insbesondere für Fahrer, bei denen noch das ein oder andere Bosch-Pedelec mit gleichem Akku-Formfaktor in der Garage wartet, bringt das LEB 800 durch seine Speicherarchitektur zwei dicke Argumente mit. Ich hoffe, Velo de Ville behält dieses Alleinstellungsmerkmal noch für einige Modellgenerationen bei und optimiert noch die ein oder andere Komponente, so dass der S-Pedelec-Markt noch längere Zeit um die Powerpack-Kombi reicher ist.

Vielen Dank an Velo de Ville und Bike Center Radsport Preiss für die Bereitstellung und tolle Betreuung vor, während und nach dem Test!

Veröffentlicht von speeder's corner

Betreiber von speederscorner.com - Blog für S-Pedelec-Kultur in Deutschland. Hier schreibe ich über die allgemeine Situation aber auch meine persönlichen Erlebnisse mit dem schnellen Pedelec im ganzjährigen Pendeleinsatz.

4 Kommentare zu „Velo de Ville LEB 800 Speed (2022)

  1. Hallo und danke für den tollen Bericht. Du hast recht . Als einzige Dualakku Alternative würde mir nur das R+M Supercharger einfallen welches deutlich teurer ist. Das Velod de Ville würde ich zwar nicht als Schnäppchen aber als Preiswert bezeichnen. Aber ich gebe dir Recht, dass Fernlich eigentlich Pflicht sein sollte am S-Ped.
    Das mit der Kadenzbeschränkung und dass man die Unterstützung immer wieder neu einstellen muss, hat mein 2018er Bosch Gen2 S-Ped leider auch schon. Etwas Abhilfe hat nur der (illegale) Tausch der Ritzel und des vorderen Kettenblattes gebracht (Feinere Abstufung und weniger „Genudel“ auf den kleinen Ritzeln). Schneller fährt es dadurch ja auch nicht.
    Eine Frage: Wirks es nur so, oder geht das Kabel für den Geschwindigkeitssensor seeehr KNapp am Reifen vorbei?
    Grüße aus dem Norden!

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  2. Schöner Bericht, vielen Dank. Wir haben ja den Gen4 Motor in der Cargo-Version auch als S-Pedelec in Betrieb und so richtig toll finde ich den nicht. Die Sache mit der Beschränkung der Kadenz konnte ich hier auch schon feststellen, beim Lastenbike spielt das allerdings keine Rolle. Schlimmer ist, dass er seinen Dienst in niedrigen Kadenzen in Steigungen einstellt. Mein nächstes Bike wird ziemlich sicher keinen Gen4 Motor haben.

    Viele Grüße, Martin

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  3. Vielen Dank für die ein oder andere aufschlußreiche Erläuterung:-) Eine Frage zur Dual-Akku-Anzeige des Intuvia – welcher der beiden Akkus ist denn in Benutzung, der mit den schraffierten Balken oder der mit den geraden Balken? Ich tippe auf ersteres, habe dazu aber nirgendwo etwas gefunden.
    Viele Grüße,
    Dirk

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